Ich respektiere dich, du respektierst mich
Ich habe früh Verantwortung übernehmen müssen. Meine Eltern hatten einen großen Bauernhof, da hatte jeder seine Aufgabe, schon als Kind. Ich habe erst spät gelernt, Verantwortung auch einmal abzugeben und mich um mich selbst zu kümmern.
Früher hat sich die Frau immer voll für die Familie aufgegeben. Kinder, Mann, Eltern – alle sind zuerst gekommen, dann war lange nichts, und ganz zum Schluss erst hat man an sich selbst gedacht. Irgendwann ist dann der Punkt gekommen, wo ich mir gesagt habe, ich muss auch für mich selbst leben, nicht nur für die anderen. Für einige mag es merkwürdig
klingen, aber diese Veränderung ist bei mir nicht trotz, sondern wegen meiner Arbeit eingetreten. Ich wurde selbstsicherer, selbstbewusster, mutiger. Während meiner Zeit bei Co-Opera habe ich angefangen viel zu lesen, zu schreiben, zu denken. Früher habe ich dafür nie Zeit gefunden. Hier aber wurde ich dazu aufgefordert! Ich habe endlich angefangen, Dinge zu hinterfragen, meine eigene Meinung zu äußern, mit mir selbst ins Reine zu kommen. Ich habe verstanden und erlebt, wie einfach es sein kann, mit sich und anderen auszukommen: Ich bin ich, du bist du. Ich gehe meinen Weg, du gehst deinen. Ich respektiere dich, du respektierst mich. Leider nehmen sich viele Menschen diese grundlegenden Dinge nicht zu Herzen. Wir verletzen einander, weil wir keine Zeit haben zum In-uns-hinein-Horchen. Niemand hat mehr Zeit. Es ist nur mehr Stress, Stress, Stress. In der Genossenschaft werden andere Gedanken gelebt. Was macht ein glückliches Leben aus? Zeit für mich, jeden Tag. Noch geht’s mir gut, noch kann ich das Leben genießen. Dafür bin ich dankbar. Ich lebe gerne! Früher habe ich oft mit dem Schicksal gehadert, mit den schwierigen Zeiten der Vergangenheit. Aber rückblickend sehe ich, dass ich besonders in schwierigen Zeiten ganz viele gute Menschen getroffen habe, die mir Wärme und Geborgenheit gegeben haben. Zum Leben gehört deshalb alles dazu: Freud und Leid, Tag und Nacht. Man darf nur nicht im Schmerz ersticken. Das hat mir das Leben gelehrt. Und jetzt bin ich gespannt, was das Leben sonst noch bringt.